Staffel 1 – Folge 3
Der Rauchstreifen, den Ylva-Is in der Ferne erspäht hatte, führte sie durch ein zerklüftetes Tal, dessen Hänge von knorrigen, schneebedeckten Bäumen gesäumt waren. Der Wind pfiff weiterhin eisig, und der Schnee knisterte bei jedem Schritt unter ihren gefütterten Stiefeln. Die unnatürliche Kälte schien tiefer in das Land einzudringen, und selbst Ylva-Is, die an die harschen Winter ihrer Heimat gewöhnt war, spürte, wie ihre Finger klamm wurden.
Nach mehreren Stunden anstrengenden Marsches erreichte sie endlich den Ursprung des Rauchs. Es war keine Siedlung, wie sie zunächst vermutet hatte, sondern ein einzelnes, bescheidenes Holzhaus, das sich an den Fuß einer steilen Felswand schmiegte. Eine dünne Rauchsäule stieg aus dem Schornstein auf und verströmte den schwachen Duft von brennendem Holz und etwas undefinierbar anderem, das Ylva-Is nicht einordnen konnte.

Vorsichtig näherte sie sich dem Haus. Die Fenster waren klein und trüb, aber sie konnte den schwachen Schein eines Feuers im Inneren erkennen. Sie klopfte zögerlich an die hölzerne Tür und wartete. Nach einem Moment des Schweigens wurde die Tür knarrend geöffnet, und eine kleine, hagere Gestalt trat ins Freie. Es war ein älterer Mann, dessen Gesicht von tiefen Furchen gezeichnet war und dessen Augen unter buschigen Brauen wach und aufmerksam funkelten. Er trug einfache, aber warme Kleidung und hielt einen hölzernen Wanderstab in der Hand.
Der alte Mann musterte sie aufmerksam, seine Augen wanderten von ihrem eisclanischen Gewand zu ihrem Bogen und dem Amulett um ihren Hals. „Antworten sucht man oft dort, wo man sie am wenigsten erwartet“, erwiderte er mit einer rauen Stimme. „Kommt herein, Kind. Das Feuer ist warm, und vielleicht kann ich euch helfen.“
„Seid gegrüßt“, sagte Ylva-Is, ihre Stimme vorsichtig. „Ich habe euren Rauch in der Ferne gesehen und bin auf der Suche nach Antworten.“
Ylva-Is trat in das bescheidene Haus. Der Raum war klein, aber gemütlich. Ein knisterndes Feuer brannte in einem steinernen Herd und warf flackernde Schatten an die Wände. Der Duft, den sie draußen gerochen hatte, war nun deutlicher: es war der Geruch von getrockneten Kräutern und etwas Süßlichem, das sie nicht identifizieren konnte.
Der alte Mann bot ihr einen Platz an einem grob gezimmerten Tisch an und stellte sich als Elara vor. Er war ein Kräuterkundiger und Heiler, der seit vielen Jahren zurückgezogen in dieser Gegend lebte. Ylva-Is erzählte ihm von den unnatürlichen Stürmen in ihrer Heimat und der Prophezeiung des Eisclans vom erwachenden Zorn der Ahnen.
Elara hörte aufmerksam zu, seine Augen wurden immer ernster. „Die Wut des Winters“, murmelte er schließlich. „Ja, ich habe es gespürt. Die Natur ist aus dem Gleichgewicht geraten. Die Tiere sind unruhig, und die Pflanzen welken vor der Zeit. Es ist, als ob eine dunkle Hand über das Land gelegt wurde.“
Er erzählte Ylva-Is von seltsamen Ereignissen in der Gegend. Von Wölfen, deren Augen rot glühten, von Bäumen, die ohne ersichtlichen Grund verdorrten, und von einem Gefühl der Bedrohung, das in der Luft lag. „Es begann vor einigen Tagen“, sagte Elara, „kurz nachdem der Himmel in der Nacht so unheilvoll geleuchtet hat.“
Ylva-Is erkannte die Verbindung zu den Ereignissen unterhalb der Nebelgebirge. Die Entwendung der Träne des Himmels hatte die Wut des Winters entfesselt. Sie fragte Elara, ob er etwas von einem gestohlenen Artefakt oder von alten Krypten in den Nebelbergen wüsste.
Elara nickte langsam. „Die Nebelberge bergen viele Geheimnisse“, sagte er. „Es wird gemunkelt von alten Gräbern und Schätzen, die dort verborgen liegen. Und von Wesen, die so alt sind wie die Berge selbst.“ Er kramte in einer Truhe und holte eine alte, vergilbte Karte hervor. „Diese Karte zeigt einen Pfad, der zu den tieferen Regionen der Nebelberge führen soll. Ich habe sie vor vielen Jahren von einem reisenden Händler erhalten. Vielleicht findet ihr dort Antworten.“
Während Elara die Karte erklärte, hörten sie plötzlich ein lautes Knurren vor dem Haus. Elara trat ans Fenster und blickte hinaus. „Die Schattenwölfe“, flüsterte er mit besorgter Stimme. „Sie sind aggressiver geworden in den letzten Tagen. Die Wut des Winters hat auch ihre Herzen verdorben.“
Mehrere große, dunkle Wölfe mit leuchtend roten Augen umkreisten das Haus. Ihre Zähne waren gefletscht, und ihr Knurren klang bedrohlich. Ylva-Is spannte ihren Bogen. „Wir müssen uns verteidigen“, sagte sie entschlossen.

Gemeinsam stellten sich Ylva-Is und Elara der Bedrohung. Ylva-Is’ Pfeile flogen präzise und schnell, während Elara mit einem Stock, an dessen Ende ein Büschel getrockneter, stinkender Kräuter befestigt war, versuchte, die Wölfe auf Abstand zu halten. Der Kampf war hart, aber schließlich gelang es ihnen, die Kreaturen zu vertreiben.
Nachdem die Gefahr vorüber war, blickten sich Ylva-Is und Elara an. „Es scheint, als ob unser Schicksal verbunden ist“, sagte Elara. „Ich habe mein Leben hier gelebt, aber vielleicht ist es an der Zeit, dass ich meine Weisheit und mein Wissen denen zur Verfügung stelle, die gegen diese Dunkelheit kämpfen wollen. Ich werde euch begleiten, Ylva-Is.“
Ylva-Is nickte dankbar. Sie hatte ihren ersten Verbündeten gefunden. Gemeinsam studierten sie die alte Karte und beschlossen, sich auf den Weg zu den Nebelbergen zu machen, um dort nach Antworten auf die Wut des Winters und das Geheimnis der Träne des Himmels zu suchen.
50 Minuten